Macht das Glas den Wein?
Das Tiroler Familienunternehmen bietet fast ausschließlich rebsortenspezifische Gläser an und präsentiert auf der weltgrößten Weinmesse sein neues Sauvignon-Blanc-Glas aus der Glasserie VERITAS. Dies und zwei weitere Weißweingläser stehen an diesem Morgen vor uns. Doch die Geschichte dieser Verkostung beginnt mit einem anderen Auswahlverfahren: Um die perfekte Kelchform zu finden, hat Riedel zehn Weinexperten auf einem Workshop verschiedene Sauvignon Blancs aus 20 unterschiedlichen Gläsern testen lassen, und zwar sowohl in Neuseeland als auch in der Steiermark. Das Ergebnis war in beiden Ländern eindeutig: Es ist das Glas, das nun vor uns steht.
Ergänzt wird das Arrangement durch ein Riesling-Glas und ein Glas für im Holzfass ausgebauten Chardonnay. Letzteres erinnert mit seiner runden Form allerdings mehr an ein Rotweinglas. Als Erstes wird ein Sauvignon Blanc aus allen drei Gläsern verkostet: erst riechen, dann schmecken. Natürlich war davon auszugehen, dass ein Unterschied besteht. Dass er jedoch so deutlich ausfällt, überrascht. Das Bouquet aus dem Sauvignon-Blanc-Glas ist wesentlich intensiver und vielschichtiger als aus dem Riesling-Glas und erst recht aus dem voluminösen Chardonnay-Glas. Gleiches gilt für den Geschmack: Er ist im Sauvignon- Blanc-Glas sehr ausgewogen und lange am Gaumen präsent. In der nächsten Runde wird ein Riesling getestet. Das Glas, das beim Sauvignon Blanc am besten abschnitt, kann hier nicht mehr überzeugen. Dafür kommen die typischen Riesling-Aromen von reifen Früchten nach Apfel, Birne und Ananas im rebsortenspezifischen Glas erheblich besser zur Geltung. In der dritten Runde gibt es einen im Holz ausgebauten Chardonnay. Hier überzeugt das bauchige Chardonnay-Glas besonders beim Geschmack. Der feine Schmelz der Holzaromen kommt wesentlich deutlicher zum Ausdruck als in den beiden schmaleren Gläsern. Ein Blick in die Gesichter der anderen Anwesenden verrät: Wir sind mit unserem Erstaunen nicht allein. Ein Kellermeister, der seinen eigenen Wein dabei hat, meint: „Ich bin überrascht, wie groß der Einfluss des Glases ist. Ich werde dies in Zukunft stärker berücksichtigen.“ Und auch ein Vertreter einer deutschen Winzergenossenschaft ist beeindruckt:
„Bei großen Verkostungen und im Alltag nutzen wir aus logistischen Gründen standardisierte Gläser, doch bei besonderen Anlässen oder Kunden legen wir für optimalen Genuss Wert auf rebsortenspezifische Gläser.“ Warum ist die Wirkung so groß? Unser Gastgeber Christian Kraus, Geschäftsführer Riedel Deutschland, erklärt: „Das Bouquet des Weines ist ein bunter Strauß an Molekülen, die je nach Aroma eine unterschiedliche Länge und ein unterschiedliches Gewicht aufweisen. Unsere Gläser haben die Aufgabe, diese so im Glas zu schichten, dass sie der DANN der Rebsorte entsprechen.“ Im Glas entsteht eine tropfenförmige Aromawolke. Die Form des Kelches entscheidet, ob und wo unsere Nase darin eintaucht, und bestimmt so die Intensität und den zuerst wahrgenommenen Geruch. Auch beim Trinken wird die Wahrnehmung durch die Form des Kelches gesteuert. So müssen wir bei engen Gläsern den Kopf leicht in den Nacken legen. Der veränderte Winkel sorgt dafür, dass der Wein an einer bestimmten Stelle zuerst auf die Zunge trifft. Diese Rezeptoren senden als Erstes ans Gehirn und bestimmen so unser Geschmackserlebnis. Der Glasdurchmesser hat ebenfalls Auswirkungen auf die Art des Trinkens. Bei kleineren und mittleren Durchmessern gießt man sich das Getränk in den Mund. Wird der Durchmesser groß, saugt man das Getränk stärker ein, um nicht zu kleckern. Das führt beispielsweise bei Schaumwein zu einem starken Austritt der Kohlensäure, was wiederum die Geschmacksnoten überlagert. Und auch die Form des Glasrands hat spürbare Auswirkungen. Ein leicht nach außen gebogener Rand führt dazu, dass wir beim Trinken die Zungenspitze anheben – und der Wein genau auf die Stelle trifft, an der vor allem „süß“ geschmeckt wird.
Wie nehmen wir Wein wahr?
Es gibt 4 Sinneseindrücke beim Wein:
1. Duft
das Weinaroma, seine Qualität und Intensität
2. Textur
das Mundgefühl des Weines (wässrig, weich, seidig, samtig)
3. Geschmack
die Kombination der vier Komponenten Frucht, Mineralität,
Säure und Bitterstoffe
4. Nachhall
der Nachgeschmack
Das Glas als Werkzeug
Welcome & Stay
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